MdL Jürgen Mistol: Bezahlbarer Wohnraum – Das Grüne Maßnahmenpaket

Auf den Punkt gebracht! Rede von Jürgen Mistol zur Wohnpolitik im Landtag.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen!“

Der Markt wird es schon regeln.“ Lieber Kollege Körber, das mag Ihr liberales Patentrezept sein. Ich sage: Wohnen ist keine Ware. Wohnen ist aus unserer grünen Sicht, auch aus meiner Sicht, ein Grundbedürfnis aller Menschen. Wohnen ist ein Menschenrecht.

(Beifall bei den GRÜNEN und des Abgeordneten Horst Arnold (SPD))

Die Wohnung ist Zentrum unseres Lebens und Ausdruck unserer Individualität. Die Wohnung ist der Ort, den wir Menschen als Heimat empfinden und der uns Sicher- heit gibt, weil wir dort Familien bzw. Lebensgemeinschaften gründen, Freizeit ver- bringen und in der Regel bis ins hohe Alter hinein selbstbestimmt leben wollen. Wenn die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land nicht mehr das Gefühl haben, sich dieses Grundbedürfnis noch leisten zu können, dann muss es uns Politikerin- nen und Politiker doch nicht wundern, dass rasant steigende Mieten dazu führen, dass die Menschen auf die Straße gehen, um ihren Unmut kundzutun, auch durch eine Unterschrift unter ein Volksbegehren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist doch so: Die Mieten in den bayerischen Städten und generell in den wachsenden Ballungsräumen sind in den vergangenen zehn Jahren geradezu explodiert. Sie fressen den Großteil des Einkommens vieler Menschen auf. Es gibt für den Einzelnen und die Einzelne keine Alternative. Günstige Wohnungen sind mindestens so rar wie der Schnee in diesem Winter. Immer mehr Menschen wohnen dort, wo sie wohnen müssen, und nicht dort, wo sie wohnen wollen. Der Frust über die schnell steigenden Mieten schlägt schnell in Angst um. Die über 50.000 Unterschriften für das Volksbegehren „Mietenstopp“ zeigen, dass die Menschen in unserem Land kein „Weiter so“ mehr akzeptieren.

Das ist, mit Verlaub, ein Weckruf an die Regierenden, an diejenigen, die in unserem Land die Verantwortung tragen. Sie müssen erkennen, dass es so weit gekommen ist. Gerade weil das Dach über dem Kopf ein knappes und wertvolles Gut ist, darf es eben nicht allein den Kräften des Marktes überlassen werden.

Dabei haben uns die Mütter und Väter unserer Bayerischen Verfassung in Artikel 106 einen ganz klaren Auftrag gegeben.

Ich zitiere Absatz 1: Jeder Bewohner Bayerns hat Anspruch auf eine angemessene Wohnung.

Absatz 2: Die Förderung des Baues billiger Volkswohnungen ist Aufgabe des Staates und der Gemeinden. So steht es in der Verfassung!

Liebe Kollegin, liebe Kollegen von der FDP, in der Verfassung steht: „billige Volkswohnungen“; heute würde man „bezahlbare Wohnungen“ sagen. Es geht also nicht um irgendwelche Wohnungen, schon gar nicht um Luxuswohnungen, sondern um Wohnungen, die sich die Menschen leisten können. Wenn wir die Verfassung ernst nehmen – wir GRÜNEN nehmen sie sehr ernst –, dann müssen wir wesentlich mehr Fördergelder für den öffentlich geförderten Wohnungsbau in die Hand nehmen als bisher.

An dieser Stelle möchte ich auch die neue für das Thema Wohnungsbau zuständige Ministerin direkt ansprechen. Die Situation ist doch: Der soziale Wohnungsbau stagniert, und bezahlbarer Wohnraum ist Mangelware.

Frau Schreyer, die grüne Landtagsfraktion und ich ganz persönlich freuen uns auf ein gutes Miteinander und einen konstruktiven Austausch zu allen Fragen rund um das Thema bezahlbares Wohnen.

Kolleginnen und Kollegen, während in vielen bayerischen Städten das Mietniveau unaufhaltsam steigt – es steigt übrigens dort stärker, wo weniger gebaut wird; das ist richtig – ist der Bestand an Sozialwohnungen erheblich geschmolzen. Gab es im Jahr 1988 noch gut 495.000 Sozialwohnungen im Freistaat, so ist der Bestand bis 2018 auf etwa 136.000 gesunken. Man muss vielleicht auch darauf hinweisen: Seit der Föderalismusreform im Jahr 2006 tragen die Bundesländer die Verantwortung für die soziale Wohnraumförderung. Wurden Mitte der 1990er-Jahre noch jährlich 348 Millionen Euro für die Wohnraumförderung bereitgestellt, waren die Mittel im Jahr 2017 – das ist noch nicht lange her – im bayerischen Staatshaushalt sogar auf 87 Millionen Euro gekürzt worden; das war der niedrigste Stand in der Wohnraumförderung.

Mit momentan 365 Millionen Euro aus dem Staatshaushalt ist aus unserer Sicht die Wohnraumförderung weiterhin grob unterfinanziert, und ohne verlässliche Förderung kann es auch keine Kontinuität beim sozialen Wohnungsbau geben. Nun haben wir den Wohnungspakt Bayern. Damit sollten bis Ende 2019 28.000 neue öffentlich geförderte Wohnungen entstehen – ein respektables Ziel. Die Zielmarke, jährlich 7.000 Wohnungen fertigzustellen, konnte jedoch nicht erreicht werden.

Kolleginnen und Kollegen, wie sieht nun die aktuelle Situation aus, die aktuelle Strategie der Staatsregierung, um den Problemen beim Wohnungsbau zu begegnen? – Beim Thema Wohnen legt die Staatsregierung mit dem Baukindergeld Plus sowie der Eigenheimzulage den Fokus auf den Eigentumserwerb. Dabei ist festzustellen: Baukindergeld und Eigenheimzulage verursachen hohe Kosten und haben kaum Wirkung. Der dringend benötigte neue Wohnraum entsteht nur in geringem Umfang. Ich habe nachgefragt. Die Staatsregierung sagt selbst: 85 % der bisherigen Fördergelder fließen in den Erwerb von Bestandsimmobilien. Und: Neuer Wohnraum entsteht auch nicht dort, wo er dringend benötigt wird. Er entsteht eben nicht in den wachsenden Ballungsräumen. Das Schlimmste ist: Die Fördermaßnahmen wirken als zusätzlicher Preistreiber auf dem Wohnungsmarkt. Dies ist genau der falsche Effekt, der damit erzielt wird. Was man außerdem sagen muss: Mit der Privatisierung der staatlichen Wohnungsbaugesellschaft GBW hat die Staatsregierung vor wenigen Jahren 33.000 günstige Wohnungen unnötigerweise aus der Hand gegeben.

Die Gründung der BayernHeim war von Markus Söder gewissermaßen als Kompensation gedacht. Sie kann diesen Verlust aber überhaupt nicht kompensieren, im Gegenteil: Das Söder‘sche Prestigeobjekt bringt den sozialen Wohnungsbau im Freistaat keinen Millimeter voran.

Stattdessen schränkt es den finanziellen Spielraum gemeinwohlorientierter Wohnungsunternehmen erheblich ein. Ohne eigene zusätzliche Finanzmittel für den sozialen Wohnungsbau speist sich die BayernHeim nämlich aus Mitteln der regulären Wohnungsbauförderung. De facto werden dadurch Fördergelder für dringend benötigte Bauprojekte, insbesondere für die der Genossenschaften und der kommunalen Unternehmen, gekürzt. Lassen Sie es mich deutlich sagen: So funktioniert das nicht.

Kolleginnen und Kollegen, wir GRÜNEN sagen ganz klar: Der Instrumentenkasten für die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum muss ausgebaut werden. Wir brauchen endlich Vorfahrt für den öffentlich geförderten Wohnungsbau. Jährlich braucht es unterm Strich mindestens eine Milliarde Euro. Damit müssen jährlich mehr als 10.000 Sozialwohnungen gebaut werden, um die Nachfrage in diesem Segment befriedigen zu können. Wir GRÜNEN fordern ebenfalls, die Sozialbindung endlich verbindlich auf 40 Jahre zu erhöhen. Außerdem wollen wir GRÜNEN, dass genossenschaftliche Wohnungen als dritte Säule der Wohnraumversorgung neben Eigentum und Miete deutlich gestärkt werden, beispielsweise durch die Zeichnung von Genossenschaftsanteilen, indem man diese ebenfalls fördert.

Nicht zuletzt wollen wir GRÜNEN Spekulationen mit Grund und Boden im Rahmen der Grundsteuerreform entgegenwirken. Auch die Einrichtung revolvierender Bodenfonds und insgesamt ein verstärkter Erwerb von Baugrund durch den Bund, aber auch durch das Land und die Kommunen, können den Anstieg der Bodenpreise dämpfen. Außerdem – dies gehört für uns GRÜNE ebenfalls dazu – wollen wir Mieterhöhungen auf den angespannten Wohnungsmärkten begrenzen. Wir halten es für notwendig, die Mietpreisbremse dauerhaft im Mietrecht zu verankern und auch den Mietspiegel zu reformieren.

Kolleginnen und Kollegen, abschließend sage ich: Um bezahlbare Wohnungen in ausreichender Zahl im Freistaat herzustellen, erwarten wir GRÜNEN uns von der Staatsregierung einen gut gefüllten Instrumentenkasten, der für alle Landesteile passende Werkzeuge enthält; und was den öffentlich geförderten Wohnungsbau betrifft, muss die Devise heißen: Verlässlichkeit, Planungssicherheit und deutlich mehr Fördergeld aus dem Haushalt des Staates. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.